Dr. Marc Esser

Psychologie in der Nutzenkommunikation

Psychologie spielt auch in der Nutzenkommunikation eine große Rolle. Folgende Aspekte sollten Sie unbedingt kennen.

Psychologie in der Nutzenkommunikation

Die beiden Denksysteme

Der Nobelpreisträger und Psychologe Daniel Kahneman hat das menschliche Denken in zwei Systeme eingeteilt.1 System 1 ist intuitiv. Es ermöglicht uns schnelle Entscheidungen aus dem Bauch heraus zu treffen, ist jedoch leicht hinters Licht zu führen. Ein typisches Beispiel für System 1 ist Autofahren. Obwohl es eine relativ komplexe Tätigkeit ist, macht man sich wenig Gedanken, es geht intuitiv. Allerdings ist System 1 leicht auszutricksen. Hier ein klassisches Beispiel:

Ein Schläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 Euro.
Der Schläger kostet einen Euro mehr als der Ball.
Was kostet der Ball?

Die meisten Menschen antworten hier »intuitiv« 10 Cent und das ist falsch. Die richtige Antwort wäre 5 Cent (und 1,05 Euro für den Schläger) wie man leicht nachrechnen kann. Viele Menschen benutzen im Alltag überwiegend ihr System 1. Dies liegt auch daran, dass es schnell ist und keine Aktivierungsenergie erfordert, allerdings ist es fehleranfällig, wie das Beispiel gezeigt hat. System 2 hingegen ist analytisch und kritisch. Es macht nur selten Fehler, benötigt aber eine gewisse Aktivierungsenergie (Tabelle 1).

System 1 System 2
Intuitiv Analytisch
Schnelle Entscheidungen Langsame Entscheidungen
»Wishful thinking« Kritisch, skeptisch
Leicht zu täuschen Schwer zu täuschen

Tabelle 1: Merkmale von System 1 und System 2

Einfache Sprache und gute Struktur machen glaubwürdig

Interessanterweise wird System 2 aktiviert, wenn es Hinweise auf Fehler oder Ungenauigkeiten gibt. Dazu gehören beispielsweise eine unnötig komplizierte Wortwahl und eine schlechte Textstruktur. David Kahneman berichtet in seinem bereits zitierten Buch von zahlreichen psychologischen Experimenten, die eindrucksvoll zeigen, dass Texten mit einfachen Worten mehr Glauben geschenkt wird. Ist hingegen die Terminologie sehr kompliziert, prüft man den Text viel kritischer und ist skeptisch. Das sollten Sie bei Ihrer Nutzenargumentation unbedingt berücksichtigen und Ihre Vorteile einfach und klar rüberbringen.

Vorteile plastisch zeigen

Nehmen wir an, Sie wollen die Value Story eines neuen Diagnoseverfahrens kommunizieren, das Ihre Firma entwickelt hat. Dann sollten Sie neben den üblichen Parametern wie Sensitivität und Spezifität zusätzlich auch auf anschauliche Art und Weise verdeutlichen, wie gut Ihr Produkt ist, dann wird es auch von System 1 verstanden.

Beispiel:

  • Die Sensitivität von DiagNew liegt bei 97 %. (abstrakt)
  • DiagNew stellt bei 97 von 100 erkrankten Personen eine korrekte Diagnose. (plastisch)

Die Braut hübsch machen

Wenn ein Text in einem hochwertigen Layout erscheint, wird das kritische System 2 oft gar nicht erst aktiviert. So wird einer Nutzenargumentation also bereits ein gewisser Vertrauensvorschuss entgegengebracht, wenn die Verpackung stimmt. Wenn Sie also gute Argumente haben, sollten Sie darauf achten, dass diese auch in einem ansprechenden Layout daherkommen. Überzeugt schon das Layout nicht, wird bei vielen Menschen automatisch das kritische System 2 aktiviert und es werden Fehler und Argumentationsschwächen gesucht, auch wenn vielleicht gar keine vorhanden sind.

Der Halo-Effekt und die Nutzenkommunikation

Der Halo-Effekt ist ein häufiger Beurteilungs- bzw. Wahrnehmungsfehler. Einzelne Eigenschaften einer Person oder Sache erzeugen einen Gesamteindruck, der die Wahrnehmung weiterer Eigenschaften der beurteilten Person oder der Sache »überstrahlt«.

Beispiel:

  • Stefanie ist intelligent, fleißig, impulsiv, kritisch, eigensinnig und neidisch.
  • Christiane ist neidisch, eigensinnig, kritisch, impulsiv, fleißig und intelligent.

Welche der beiden würden Sie lieber kennenlernen? Wenn Sie so sind wie die meisten Menschen, würden sie Stefanie bevorzugen, obwohl die Attribute genau dieselben sind. Die Reihenfolge macht den Unterschied. Auch hierin lässt sich wieder das System 1 wiederfinden. System 1 ist auf die Kohärenz von allem ausgelegt, was Sie wahrnehmen. Haben Sie sich also erst einmal einen Eindruck gemacht (die Person ist intelligent und fleißig), dann werden weiteren Informationen, die nicht dazu passen (impulsiv, kritisch) gerne »ausgeblendet«. Dies bedeutet für die Nutzenargumentation, dass Sie unbedingt mit den besten Argumenten starten sollen.

Die Macht der Bilder

Nicht immer ist für eine Emotionalisierung durch Bilder bei der Nutzenkommunikation Platz, beispielsweise im Rahmen eines Nutzendossiers. Bei Broschüren und Websites sieht es allerdings anders aus. Hier sollten Sie bei Ihrer Nutzenkommunikation nicht nur auf Wörter vertrauen, sondern auch Bilder richtig einsetzen und damit emotionalisieren. Auch für die Wirkung von Bildern gibt es interessante experimentelle Belege: An einer englischen Universität sollten Mitarbeiter der Verwaltung für den Tee oder Kaffee, den sie tranken, Geld für die Kaffeekasse spenden. Für einen Zeitraum von 10 Wochen wurden hinter dieser Kaffeekasse abwechselnd Poster aufgehängt, wobei sich wöchentlich Augenpaare mit Blumen abwechselten. Vielleicht können Sie sich das Ergebnis schon denken: Immer wenn Augenpaare den Spender ins Visier nahmen, fiel die Spendenbereitschaft deutlich höher aus, wie Abbildung 1 zeigt. Nutzen Sie also in Ihrer Nutzenkommunikation die Macht der Bilder.

Spendenaufkommen in Abhängigkeit vom gezeigten Bild

Abbildung 1: Spendenaufkommen in Abhängigkeit vom gezeigten Bild

Fazit: Nutzenkommunikation hat auch immer etwas mit Psychologie zu tun. Durch Beachtung weniger Punkte beim konkreten Einsatz von Wörtern und Bildern verbessern Sie die Wirkung Ihrer Nutzenargumentation signifikant.

Referenzen:

1 D. Kahneman, Thinking fast and slow, 2013.